Windstrom: die smarte Energie auch für Nahwärmenetze

Windspeicherheizungen nutzen Strom aus nahegelegenen Windfeldern und sorgen für eine CO2-freie Wärmeversorgung vor Ort. Synergiereich werden hierbei die energiewirtschaftlichen Segmente Strom und Wärme vernetzt. Dieses praktische Beispiel für Sektorkopplung kann wegweisend für zahlreiche norddeutsche Kommunen und Städte sein, die über Windenergie in der Nachbarschaft verfügen.

Das Besondere an dem Windwärmespeicher ist die Verbindung eines Nahwärmenetzes und Windenergieanlagen vor Ort mit einem elektrisch betriebenen Wärmespeicher. Darin dient der unregelmäßig anfallende Strom aus Produktionsspitzen dazu, das Wassers im Speicher zu erhitzen.
 

Das Motto  „Nutzen statt Abschalten“ wird angewandt, um Produktionsspitzen, für die es im Stromnetz keine Verwendung gibt, zur Wärmeversorgung zu nutzen. Statt Windenergieanlagen abzuregeln, das heißt im Extremfall ganz abzuschalten, wird mit dem Strom im Wärmespeicher Wasser erhitzt und so Windstrom als Wärmeenergie speicherbar. Im Nahwärmenetz steht diese Energie dann zum Beheizen der angeschlossenen Häuser zur Verfügung und kann alte fossile Heizungsanlagen ersetzen.
Die kosteneffiziente Nahwärme mit  hohem Wirkungsgrad lässt sich dadurch mit CO2-neutralem Windstrom kombinieren. Und mit dem Windwärmespeicher entsteht ein hocheffizientes System auf Basis von vollständig erneuerbarer Energie. Im folgenden praktischen Beispiel für die Sektorkopplung wird CO2-frei lokal erzeugter Strom direkt zum Heizen einer ganzen Ortschaft genutzt.

Nechlin - ein Dorf voll Energie

 

Die Brandenburger Ortschaft Nechlin arbeitet bereits seit einigen Jahren an einer intelligenten und nachhaltigen Energieversorgung. Bürger beteiligten sich am Bau eines Netzes mit mehreren regenerativen Energiequellen einschließlich Photovoltaikanlagen. Zusätzlich entstand in den letzten Jahren ein Nahwärmenetz.

Die nahegelegenen Windenergieanlagen des Windfeldes Nechlin erzeugen jährlich etwa 70 Millionen Kilowattstunden Strom. Ein kleiner Teil davon (ca. 5 Prozent) wird an besonders windigen Tagen erzeugt. Diese Energiemengen können nicht komplett eingespeist werden, aber es lohnt sich sehr, sie vor Ort zu nutzen. Seit Anfang 2020 nutzt Nechlin Windstrom aus einem benachbarten Windfeld zur Wärmeversorgung und beheizt mit Hilfe eines Windwärmespeichers das ganze Dorf. Der Windwärmespeicher wird nur mit dem Strom aufgeheizt, für den es sonst keine Abnehmer bzw. keine Netzkapazität gibt. Die Zuschaltung der Heizelemente im Windwärmespeicher erfolgt automatisch über das ENERTRAG Steuersystem PowerSystem. Sobald der Übertragungsnetzbetreiber ein Abschaltsignal gibt, wird die Heizung im Windwärmespeicher automatisch eingeschaltet. Der Windstrom erhitzt das Wasser im neuen Speicher also in genau den windreichen Zeiträumen, wenn die Windenergieanlagen zuvor abgeregelt wurden.

Der neue große Windwärmespeicher fasst rund eine Million Liter Wasser und hat einen Durchmesser von 18 m. Die Wärmeenergie wird in diesem Wassertank als heißes Wasser gespeichert und versorgt im angeschlossenen Nahwärmenetz die umliegenden Gebäude mit Wärme. Der Speicher kann Nechlin je nach Wetterlage bis zu drei Wochen lang mit Wärme versorgen ohne dass eine erneute Abregelung und damit Aufladung nötig ist. Effizient und ökonomisch sinnvoll bildet dieser windstrombetriebene Wärmespeicher die sichere Energiequelle für das Nahwärmenetz in Nechlin.

Im Herbst 2019 begann ENERTRAG mit dem Bau des Windwärmespeichers in Nechlin. Weil der Speicher ganz ohne Dichtungen und Schrauben auskommt, ist er nahezu wartungsfrei und besitzt eine besonders hohe Lebensdauer.

Die Idee

Die technische Umsetzung ist genial einfach: Die Windenergieanlagen sind direkt durch ein 20.000-Volt-Mittelspannungskabel mit einem 2-Megawatt-Durchlauferhitzer verbunden. Dort wird Wasser auf 93 Grad Celsius erwärmt und in den Windwärmespeicher geleitet.

Von dort aus wird das warme Wasser je nach Bedarf an das örtliche Nahwärmenetz abgegeben.

Der Windwärmespeicher kann bis zu einer Million Liter Wasser fassen. Das Aufheizen des Speichers erfolgt an windreichen Tagen in wenigen Stunden. Der Speicher gibt dann seine Energie je nach Bedarf an das örtliche Wärmenetz ab, das 35 Häuser mit einem jährlichen Wärmeenergiebedarf von 720.000 kWh versorgt. Der Windwärmespeicher besitzt eine Gesamtkapazität von 38.000 Kilowattstunden.

Einmal aufgeheizt und aufgeladen, kann er Nechlin für bis zu zwei Wochen versorgen. Da es regelmäßig windig ist, kann der Windwärmespeicher das Dorf vollständig erneuerbar beheizen.

 

 

Projektkennzahlen aus Nechlin

  • Wasserinhalt: 1 Mio. Liter (10.000 Liter pro Einwohner)
  • Durchmesser: 18 Meter, Höhe: 4 Meter
  • Wärmefassungsvermögen: 38.000 kWh
  • Einspeicherleistung Windstrom zu Wärme: 2.000 kW
  • Ausspeicherleistung ins Dorf: bis 300 kW
  • Energiequelle: Windfeld Nechlin mit einer Jahreserzeugung von 70 Mio. Kilowattstunden
  • Heizbedarf für 35 Häuser: 0,7 Mio. Kilowattstunden jährlich - 1 Prozent der Windstromerzeugung
  • Bauzeit Speicher: 6 Monate, Bauzeit Nahwärmenetz: 3 Monate
  • Anschlussquote in Nechlin: 90 Prozent
  • CO2-Vermeidung: 20 Tonnen pro Jahr gegenüber Ölheizung

Vorbild für andere Kommunen

Tausende Dörfer und Kleinstädte im ganzen Norden Deutschlands können kostengünstig und CO2-frei geheizt werden. Die einzige Voraussetzung sind nahegelegene Windkraftanlagen und der gemeinsame Wille, ein Wärmenetz zu nutzen oder zu bauen, wenn noch keins vorhanden ist. 

Die Vorteile im Überblick:

  • Etwa halb so teuer wie eine Ölheizung
  • 100 Prozent klimaneutrale erneuerbare Wärme
  • Zuverlässige und unkomplizierte Technik
  • Online-Daten der Wärmeversorgung für jeden Haushalt

Nehmen Sie Kontakt zu unseren Experten für nachhaltige Energiesysteme auf! Erfahren Sie mehr über die Chancen klimaneutraler Nahwärmelösungen auch für Ihre Kommune!

Kontakt

Herr Stefan Käding, Projektleiter Windwärmespeicher
marketing[at]enertrag.com
Tel: +49 39854 6459-0

Vorteile von Windwärme für Nahwärmenetze


Nahwärme ist Wärme für Heizung und Warmwasser, die gemeinsam für mehrere Gebäude einer Siedlung oder eines Stadtteils erzeugt wird. Nutzer sparen die Kosten für eine eigene Heizungsanlage, gleichzeitig verbessert sich die Umweltbilanz aufgrund der besseren Energieeffizienz und des besseren CO2 Fußabdrucks
Ein Nahwärmenetz besteht aus einer zentralen Heizungsanlage,  einem System aus Verbindungsleitungen und mehreren Hausübergabestationen. Diese beziehen Wärme für Heizung und Warmwasser aus einer zentralen Heizungsanlage. Die erzeugte Heizwärme gelangt durch gedämmte Erdleitungen zu den angebundenen Häusern. Nutzer der Nahwärme zahlen statt für einen Brennstoff nur die tatsächlich übergebene Wärme. Nahwärmenetze können wenige Gebäude umfassen aber auch ganze Stadtteile. 
Als Energiequelle sind bislang gasbetriebene wärmegeführte Blockheizkraftwerke verbreitet, ebenso Öl- und Hackschnitzelheizungen. Eine innovative Energiequelle für Nechlin ist der neue Wärmespeicher, in dem Wasser mit Windstrom CO2-neutral erhitzt wird. Durch den Anschluss an die Nahwärme sinken für Nutzer die Kosten für Heizungstechnik: Denn Hausbesitzer können auf einen Schornstein auch auf einen Öltank bzw. den Gasanschluss im eigenen Haus verzichten.

Voraussetzungen für CO2-freies Heizen mit Windstrom

Ein nahegelegenes Windfeld…
... dessen Energiespitzen bei starkem Wind für den Windwärmespeicher genutzt werden können.

Einen engagierten Ortsvertreter ...
... wie Hartmut Trester aus Nechlin, der die Menschen im Dorf versteht und auf dem Weg zu einem gemeinsamen Wärmenetz mitnimmt.

Ein Energieunternehmen wie ENERTRAG…
...welches mit Sachverstand die Energieanlagen und das Wärmenetz baut.

 Neue rechtliche Weichenstellungen für die Sektorkopplung…
…um die Nutzung von Windwärme zu ermöglichen. In Deutschland ist es derzeit rechtlich unmöglich, abgeregelten Strom aus erneuerbaren Energien zum Heizen zu nutzen. Gesetzlich ist deshalb der Betrieb von Windwärmespeicher als technische Maßnahme bei Abregelungen anzuerkennen. Nur so kommt den Bürgern die Energie vor Ort zugute. 

Darüber hinaus ist eine Reform der Steuern, Abgaben und Umlagen im Energiesektor notwendig. Zentral ist die Bemessungsgrundlage aller Steuern, Abgaben und Umlagen im Energiebereich so zu gestalten, dass die CO2- Menge des Energieträgers über die Höhe der Steuern, Abgaben und Umlagen entscheidet. Zum Vergleich: Derzeit wird klimaneutraler erneuerbarer Strom, der 5 ct/kWh in der Entstehung kostet, mit bis zu 25 ct/kWh zusätzlicher Abgaben belastet. Erdgas und Heizöl, deren Entstehungskosten bei 3 bis 10 ct/kWh liegen, haben hohe CO2-Emissionen, werden jedoch kaum mit Abgaben belegt. Eine Umstellung der Lasten bezogen auf den CO2-Ausstoß würde deutlich stärker Öl und Gas belasten, Windenergie aber nicht.

Verbundprojekt WindNODE für erneuerbaren Strom

Der Windwärmespeicher Nechlin ist Teil des WindNODE Netzwerks und des SINTEG Förderprogramms. Das Bundeswirtschaftsministerium hat für die SINTEG-Schaufensterprojekte rechtliche Sonderregeln geschaffen, ohne die der wirtschaftliche Betrieb des Windwärmespeichers unmöglich wäre. Unklar ist derzeit, wie es nach Ende des SINTEG-Programms Ende November 2020 mit der Windwärme in Nechlin weitergeht.

WindNODE erforscht in Nordostdeutschland eine Zukunft mit 100 Prozent erneuerbarer Energie. Mehr als 70 Partner aus Wirtschaft, Forschung und Zivilgesellschaft arbeiten seit 2017 in dem Schaufensterprojekt zusammen, das vom Bundeswirtschaftsministerium im SINTEG-Programm gefördert wird. In WindNODE geht es um die Frage, wie Stromnetze stabil gehalten werden können, wenn erneuerbare Energien künftig 100 Prozent des Strombedarfs decken. Die Projektregion Nordostdeutschland ist als „Reallabor“ für diese Frage besonders geeignet, denn hier stammen schon heute deutlich mehr als 56 Prozent des verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien. In WindNODE werden unter anderem an großen Speicherlösungen und Sektorkopplungstechnologien erforscht und weiterentwickelt. Hier wird erneuerbarer Strom zum Beispiel in Gas umgewandelt oder direkt in den Sektoren Verkehr und Wärme eingesetzt.

WindNODE hat unserem Projekt eine eigene, lesenswerte Webseite gewidmet: www.windnode.de/ergebnisse/windnode-konkret/enertrag/.

Ohne Wärmewende kein Klimaschutz

Die Vereinten Nationen haben sich auf der Klimakonferenz in Paris darauf verständigt, den Klimawandel zu bekämpfen und den weltweiten Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen sich die Länder konkrete Ziele zur Verminderung ihrer Treibhausgasemissionen in allen Sektoren setzen. Deutschland plant seine nationalen Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent unter das Niveau von 1990 zu senken. Der Gebäudesektor ist insgesamt für einen Anteil von rund 25 Prozent der deutschen CO2-Emissionen und 30 Prozent des Endenergieverbrauchs verantwortlich. Vor allem beim Heizen, bei der Warmwasseraufbereitung und auch bei der Kühlung entsteht CO2. Neben der Umstellung der Stromerzeugung auf erneuerbare Energien ist deshalb die klimaneutrale Wärmeversorgung eine der wichtigsten Aufgaben unserer Zeit.

Beispiel für Sektorkopplung

Der konsequente Einsatz erneuerbarer Energien im Strom-, Verkehrs-, Industrie- und Wärmesektor ist der Schlüssel zu einem wirksamen Klimaschutz und einer erfolgreichen Energiewende. Das Schaubild zeigt, in welchen unterschiedlichen Bereichen wir klimaneutralen Strom in unserem Energiesystem brauchen. Neben dem Stromsektor benötigen wir Strom aus erneuerbaren Energien auch in der Industrie-, im Verkehrs- (Elektromobilität) und im Wärmesektor (Wärmepumpe). Dazu können wir Strom direkt verwenden oder verwandeln ihn durch Power-to-X-Technologien (PtX) zum Beispiel in Wasserstoff oder Wärme. Mit Hilfe von Power-to-Heat-Technologien (PtH) wird Strom aus erneuerbaren Energien in Wärme umgewandelt. Dazu wird wie in Nechlin mit Heizspiralen Wasser erhitzt und gespeichert. Dieses wird dann beispielsweise für Heizungen und Brauchwasser in Wohnsiedlungen benutzt.

Potential von Windwärme in 2050

Die gesamte Stromerzeugung im Jahr 2050 wird etwa bei 1.200 TWh liegen. Dieser Strom wird ausschließlich durch Wind- und Solarenergie gewonnen. Mit Hilfe der Sektorkopplung fließt die Energie in verschiedene Sektoren (siehe Schaubild) und ermöglicht die Dekarbonisierung des gesamten Energiesystems. Mit einem Wirkungsgrad von über 80 Prozent ist ein erneuerbares Energiesystem hocheffizient. Der Windwärmespeicher ist ein wichtiger Teil der Sektorkopplung: Vorher nicht nutzbare Energiespitzen werden hier direkt zum Heizen ganzer Ortschaften genutzt. Wie aus dem Schaubild hervorgeht, haben Windwärmeheizungen im Jahr 2050 das Potenzial von etwa 55 TWh. Der Windwärmespeicher in Nechlin ist damit nur der Anfang.

Nutzen statt Abregeln im Detail

Die im Wind enthaltene Energie ist die dritte Potenz der Windgeschwindigkeit: ein laues Lüftchen von 4 m/s hat kaum Energie, aber 8 m/s haben schon die 8-fache Energie und 16 m/s Windgeschwindigkeit bringen das 64-fache an Energie mit sich. Hierdurch entstehen Energiespitzen. Bei sehr starkem Wind wird deshalb ein Vielfaches an Energie erzeugt, die nicht komplett ins Netz eingespeist werden kann. Zu diesen Energiespitzen kommt es etwa 25 Mal jährlich für ca. 10 Stunden. Bisher werden diese Energiespitzen durch die Netzbetreiber abgeregelt und nicht genutzt. Allein im Jahr 2018 wurden 5,4 Milliarden Kilowattstunden Strom aus erneuerbaren Energien in Deutschland abgeregelt. Damit könnten bis zu einer Million Menschen mit CO2-freier Raumwärme beliefert werden. Die obere Grafik zeigt den Anstieg der bundesweiten Abschaltungen, die im Jahr 2018 insgesamt 635 Millionen Euro kosteten. Ein Teil davon sind die Abregelungen im Windfeld Nechlin. Durch die Abregelungen sind die 0,7 GWh für die Heizung des Ortes immer vorhanden. Obwohl die Abregelungen in Nechlin im Jahr 2017 durch Netzverstärkungen zurückgingen, steigen sie mit zunehmendem Windenergieausbau aber wieder an. Der Windwärmespeicher ist also die perfekte Lösung für das Problem der Abregelung.